Charles Baudelaire

1821 – 1867           Frankreich

 

 


                                               In Übersetzungen von

            Wolf Graf von Kalckreuth

 

 

Die zersprungene Glocke

 

Wohl ist es herb und süß in langer Winternacht,

Wann durch den trüben Rauch die Flammen flackernd dringen,

Zu lauschen, wie Erinnern fern erwacht

Beim Klang der Glocken, die im Nebelmeere singen.

 

Glückselge Glocke siegender Gewalt!

Von der trotz ihres Alters über Welten

Stark und getreu der heilge Ruf erschallt,

Dem grauen Krieger gleich, der wacht in den Gezelten.

 

Jedoch mein Herz zersprang, und wenn sein gramvoll Lied

In tiefer Pein die Luft der kalten Nacht durchzieht,

So gleicht sein schwacher Ruf dem bangen Röcheln dessen,

 

Den man an einem See von dunklem Blut vergessen,

Von Leichen ganz bedeckt, in fürchterlichem Krampf,

Und der nun reglos stirbt trotz ungeheurem Kampf.

 

 

Spleen

 

Der Regenmonat strömt, verfeindet allem Leben,

Aus seiner Urne Guß ein Dunkel frostergraut

Des Kirchhofs bleicher schar im kalten Dämmerweben

Und Sterben auf die Stadt, in der der Nebel braut.

 

Es regt am Estrich sich in fröstelndem Erbeben

Die magre Katze, die nach einem Lager schaut,

Verstorbnen Dichters Geist fühl im Getropf ich schweben,

Mit eines irrenden Gespenstes Klagelaut.

 

Der dumpfe Brummbaß klagt, und rauchger Scheite Knistern

Eint seiner Fistel Ton der Wanduhr heisern Flüstern,

Derweil im Kartenspiel, von schmutzgem Duft getränkt,

 

Der eklen Erbschaft einer wassersüchtgen Alten,

Sich leis Piquedame und Coerbube unterhalten

Und einstgen Liebesglücks ihr Herz trübselig denkt.